Harry Hole - 04 - Die Fährte by Jo Nesbø

Harry Hole - 04 - Die Fährte by Jo Nesbø

Autor:Jo Nesbø [Nesbø, Jo]
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2011-08-05T15:17:06+00:00


Teil 4

Kapitel 26 – D'Ajuda

Fred Baugestad hatte einen Kater. Er war 31 Jahre alt, geschieden und arbeitete auf Statfjord B als Roughneck. Die Arbeit war hart und während der Schicht durfte er nicht einmal ein winziges Bierchen trinken, aber sie wurde gut bezahlt, auf dem Zimmer hatte er ein Fernsehen und das Essen war der reinste Gourmetfraß. Das Beste von allem aber war, dass er nach drei Wochen Arbeit vier Wochen freihatte. Einige fuhren dann nach Hause zu ihren Frauen und starrten die Wände an, andere fuhren Taxi oder zimmerten an ihrem Haus herum, um nicht vor Langeweile einzugehen, und wieder andere machten es wie Fred: Sie reisten in ein warmes Land und versuchten, sich um den Verstand zu trinken. Manchmal schrieb er eine Postkarte nach Karmøy zu seiner Tochter, seinem Baby, wie er sie noch immer nannte, obwohl sie schon zehn war. Oder elf? Egal, das war jedenfalls der einzige Kontakt, den er noch mit dem Festland hatte, und das reichte ihm wirklich. Als er das letzte Mal mit Vater gesprochen hatte, hatte dieser sich wieder über Mutter beklagt, die im Supermarkt schon wieder beim Kekseklauen ertappt worden war. »Ich bete für sie«, hatte sein Vater gesagt und ihn dann gefragt, ob Fred denn eine norwegische Bibel dabeihabe, wenn er im Ausland unterwegs sei. »Das Buch ist für mich ebenso unentbehrlich wie das Frühstück, Vater«, hatte Fred geantwortet und damit die Wahrheit gesagt, denn er aß niemals vor der Mittagszeit, wenn er in D'Ajuda war. Außer man wertete einen Caipirinha als Essen. Was natürlich Definitionssache war, schließlich kippte er vier Esslöffel Zucker in jeden Drink. Fred Baugestad trank Caipirinha, weil dieses Gesöff von Grund auf schlecht war. In Europa hatte dieser Drink einen unverdient guten Ruf, weil man ihn mit Rum oder Wodka mixte statt mit Cachaca – diesem bitteren, herben brasilianischen Zuckerrohrschnaps, der das Trinken von Caipirinhas zu der Buße werden ließ, für die Fred sie hielt. Beide Großväter von Fred waren Alkoholiker gewesen, und mit einer solchen genetischen Veranlagung hielt er es für besser, auf Nummer Sicher zu gehen und etwas derart Mieses zu trinken, dass er nie davon abhängig werden konnte. Heute hatte er sich um zwölf zu Mohammed geschleppt und einen Espresso und einen Brandy zu sich genommen, ehe er langsam in der flimmernden Sommerhitze über den schmalen, holperigen Kiesweg zwischen den kleinen, mehr oder minder weißen Steinhäuschen zurückgeschlendert war. Das Haus, das er gemeinsam mit Roger gemietet hatte, gehörte zu den weniger weißen. Der Putz war abgeblättert, und innen waren die grauen unverputzten Mauern derart von der Feuchtigkeit durchzogen, die vom Atlantik herüberwehte, dass man den bitteren Geschmack der Steine schmecken konnte, wenn man bloß die Zunge herausstreckte. Aber warum sollte man das auch tun, dachte Fred. Das Haus war O.K. Drei Schlafzimmer, zwei Matratzen, ein Kühlschrank und ein Herd. Und ein Sofa und eine Tischplatte auf zwei Steinen im Wohnzimmer. So definierten sie jedenfalls diesen Raum, weil er ein fast viereckiges Loch in der Wand hatte, das sie Fenster nannten.

Natürlich hätten sie öfter putzen sollen.



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